BILD: Kann Deutschland den Russen bei der Bewältigung der furchtbaren Waldbrände helfen?
Wladimir M. Grinin: Die Hilfe und Unterstützung wurde uns von der deutschen Seite schon von Anfang an angeboten, als klar wurde, wie verheerend das Ausmaß ist. Wir sind dafür sehr dankbar. In den vergangenen Tagen hat Bundeskanzlerin Merkel mit Präsident Medwedew telefoniert und das Angebot nochmals wiederholt. Zurzeit wird geprüft, wie wir davon Gebrauch machen können. Ich bin auch sehr gerührt davon, welche Anteilnahme wir von einfachen Bürgern bekommen, die sich bei uns mit E-Mails und Briefen melden.
BILD: Wie verliefen die ersten Termine in Berlin? Grinin: Vergangene Woche habe ich Herrn Bundespräsident Wulff mein Beglaubigungsschreiben überreicht. Anschließend fand ein Gespräch statt. Wir haben festgestellt, dass die russisch-deutsche Partnerschaft eine Intensität erreicht hat, die uns alle freut. Was aber nicht bedeutet, dass kein Raum für einen weiteren Ausbau besteht.
BILD: Sie kennen Berlin aus Ihrer früheren diplomatischen Tätigkeit. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht? Grinin: Mein erster Eindruck von Berlin ist sehr positiv. Die Stadt hat sich stark verändert und ist mancherorts schöner geworden! Ich habe hier in Berlin sechs Jahre verbracht, zwischen 1986 und 1992, der Wendezeit. Die Ereignisse, die sich vor meinen Augen abspielten, waren von tektonischem Ausmaß. Das alles prägt auch jetzt noch mein Bild von Berlin. Eine Stadt, in der sich ein Vulkanausbruch ereignete. Das ist aber mein ganz persönliches Empfinden der Dinge und ich kann mir vorstellen, dass die Russen, die hier leben, andere Interessen und Schwerpunkte haben.
BILD: Was liegt Ihnen besonders am Herzen? Grinin: Ich hatte leider noch keine Gelegenheit, mit unserer russischen Kolonie in Kontakt zu treten, Das ist ein ganz wichtiges Anliegen für mich. Ich habe bereits ein Treffen mit dem gesamtdeutschen Koordinationsrat unserer Landsleute in Deutschland eingeplant. Das Schicksal der Russen hier, ihre Sorgen und Rechte, sind für uns von großem Interesse. Und wie wir ihnen helfen können, im Sinne der Wahrung der kulturellen Identität. All das interessiert mich.
BILD: Sie waren Botschafter in Österreich, Finnland und Polen. Welche Ereignisse haben Sie besonders bewegt? Grinin: Die deutsche Wiedervereinigung war zweifelsohne ein Ereignis von historischer Tragweite und in gewissem Sinne einmalig. Für jeden Diplomaten, der Glück hat, Augenzeuge solcher Vorgänge zu werden oder gar auf bestimmte Wiese daran beteiligt zu sein, ist dies eine Art Sternstunde. Heute weiß man zum Beispiel, dass damals jede Menge Arbeit durch Diplomaten in Berlin geleistet wurde. Aber auch meine letzten Monate in Polen gehören dazu, die aus den bekannten Gründen (die Flugzeug-Katastrophe von Smolensk, d. Red.) mit großer Tragik erfüllt waren.
BILD: Wann laden Sie das erste Mal zu einem Empfang in der Botschaft? Grinin: Neben Konferenzen ist bis zum Jahresende noch ein Konzert eines Kammerorchesters mit Starbesetzung aus Russland geplant. Aber ich denke, dass zwischenzeitlich noch erwat hinzukommt.
BILD: Der Russisch-Deutsche Ball der Wirtschaft hat sich zu einem Höhepunkt im Berliner Veranstaltungskalender entwickelt. Wie geht es weiter? Grinin: Ich habe viel davon gehört, kann dazu aber noch nichts Bestimmtes sagen. Ich muss zunächst die Situation einschätzen – was zu tun ist, um die russisch-deutschen Beziehungen weiter gedeihen zu lassen. Ich werde versuchen, all die Methoden meiner Vorgänger, die diesem Zweck dienen könnten, zu übernehmen – aber vielleicht in modifizierter Form.
BILD: Wo sehen Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit? Grinin: Das Stichwort Modernisierung ist vielleicht das treffendste in diesem Zusammenhang, die Modernisierungspartnerschaft Russland-Deutschland, Russland-EU – und zwar nicht nur im technologischen Bereich, obwohl das sehr wichtig ist. Eine bedeutende Rolle spielen auch die Zusammenarbeit in der politischen Sphäre, der Dialog der Zivilgesellschaften, Initiativen auf dem Gebiet der Demokratisierung und der Sicherung der Gesetzeshoheit. Es geht grundsätzlich um eine weitere Annäherung zwischen Russland und der EU angesichts der globalen Herausforderungen. Dabei verstehen wir Deutschland, ausgehend aus unserer jahrelangen Erfahrung, als bewährten und prioritären Partner.
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