Ein Wiederholungstäter in Wladimir: Philipp Schütze. Aufmerksame und langjährige Leser werden sich gern an ihn und seinen Blog – s. auch Blogroll – erinnern. Auch wenn es seinem heutigen Bericht nicht auf den ersten Blick anzumerken ist, muß wohl etwas hängengeblieben sein, gibt es wohl etwas, das ihn wieder in die Partnerstadt gezogen hat. Aber da es fast allen so geht, die einmal dort waren, braucht man die Sache vielleicht ja auch gar nicht groß erklären…
In den Semesterferien zusätzliches Lernen in einem anderen Land? Anstatt eines Sommerurlaubs am Strand – Übernachtung und Leben in einem russischen Studentenwohnheim, ein tägliches Programm an interkulturellen Veranstaltungen und Exkursionen in und um Wladimir. Acht Studenten tauschten in diesem Jahr Hausarbeiten, Nachprüfungen und Praktika gegen drei Wochen in der Erlanger Partnerstadt und dies ist ihr Bericht.
Gruppenbild mit Rektor Ansor Saralidse
Das Motto der vom 29.07. bis 14.08. veranstalteten Sommerschule der Staatlichen Universität Wladimir (VlGU) lautete «История, психология и культура – всё взаимосвязано» (Geschichte, Psychologie und Kultur – alles miteinander verbunden), was die interdisziplinäre Marschrichtung der Bildungsreise schon vorgab. An dieser Stelle soll Ihnen die Veranstaltung, deren Programm, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die Organisation hinter dem Aufenthalt in Wladimir nähergebracht werden.
Staatliche Universität Wladimir
Nach meiner verspäteten Ankunft – ich musste bis zum 30. August arbeiten und habe mit maßgeblicher Hilfe der Stadt Erlangen mein Visum gerade noch rechtzeitig erhalten – nahm ich als letzter der Gruppe den altbekannten Weg über Moskau nach Wladimir auf mich und wurde nach 18monatiger Absenz freundlich in dem gleichen Wohnheim empfangen, in dem ich zuvor bereits ein Jahr gewohnt hatte. Es sollte für knapp drei Wochen die Herberge für die aus Deutschland zugereisten Studierenden sein, welche aus Berlin, Bremen, Jena, Chemnitz und in meinem Fall aus Erlangen den Weg in das Wladimirer Gouvernement gefunden hatten. Für die Verständigung in der Gruppe mit den Universitätsmitarbeitern und die Erledigungen des Alltags erwies es sich als nützlich, dass wir mit Andreas und Alexander (beide aus Jena) sowie Dascha (Berlin) drei Russlanddeutsche in unseren Reihen hatte, die bei Übersetzungen von unklaren Programmpunkten oder der Organisation von Tickets, Essen etc. der Gruppe helfen konnten. Untergebracht in Zweier- und Dreierzimmern und das erste Mal Gast in einem russischen Wohnheim, stellte sich vor allem bei denen, die Russland das erste Mal erlebten, innerhalb kurzer Zeit der erwartete Kulturschock ein, der sich im Laufe der Sommerschule wohl noch verstärkte, letztendlich aber doch merklich relativierte.
Im Wohnheim mit Iwan Nisowzew (grünes Hemd)
Im Programm der Sommerschule waren zuerst die Begrüßung durch den Schirmherren, Rektor Ansor Saralidze, und die Erkundung der Universität vorgesehen. Nach der ersten Besichtigung der Lokalitäten inklusive dem Einleben im Wohnheim startete das Programm der Sommerschule mit den notwendigen Sprachkursen, wobei in unserer Kleingruppe insgesamt sechs Kurse à 90 Minuten unterrichtet wurden. Neben den Sprachkursen erfolgten in Einzelsitzungen immer wieder Diskussionen und Exkurse zur russischen Jugendpolitik und komparatistischen Sprachwissenschaft. Auch wurden wir in Veranstaltungen, die die Besonderheiten und Historie der Oblast (Region) und der Stadt zum Thema hatten – wie traditionelle Malerei (am Lern- und Übungsobjekt Holzlöffel) – und in der Stadtgeschichte Wladimirs unterrichtet.
Vor der Demetrius-Kathedrale
Neben diesen in der Universität durchgeführten Seminaren besichtigten wir die historische Altstadt Wladimirs und das Stadtmuseum im Goldenen Tor. Weiterhin wurden wir über die russischen Lebensmittelmärkte in der „Straße der Welt“ geleitet. Außerhalb Wladimirs umfasste die Sommerschule drei große Exkursionen nach Moskau, nach Bogoljubowo und nach Susdal. Die wohl nachhaltigsten Erfahrungen machte unsere Gruppe wohl aber auf einem zweitägigen Trip ins universitätseigene Lager „Politechnik“, das selbst für den gesündesten Rücken eine besondere Art der Belastungsprobe bereithielt. Im Camp – zu diesem Zeitpunkt von ausgewählten „Aktivisten“ der Universität, der russischen Ringermannschaft und einigen Universitätsmitarbeitern bevölkert – übernachteten wir in einer eigenen Hütte, mit zwei Räumen zur Trennung von Männlein und Weiblein. Duschkabinen und sanitäre Einrichtungen existierten im Umkreis dieser Hütte, ebenso eine öffentliche Speisung. Durch die in unvorstellbarer Anzahl vorhandenen Mücken, die katastrophalen Betten und die Wandzeichnungen, die Dekaden von studentischen Gästen vor uns an der Holzwand der Hütte hinterlassen hatten, aber auch dank dem Treffen mit Rektor Saralidze wird der Besuch des russischen Sommerlagers wohl lange in unserem Gedächtnis haften bleiben.
In den Marktreihen
Über die Stadt Wladimir sind Sie durch den Blog ja bereits bestens informiert. Auch wurde hier schon darüber berichtet, dass die Universitätsstrukturen sich in den letzten Jahren gewandelt haben. Anstatt von zwei Universitäten (VlGU und die Pädagogische Universität) existiert mittlerweile nur noch eine (staatliche) Hochschule – die VlGU. Diese zeichnete sich nun zum dritten Mal als Gastgeber für Studenten aus, die zum Zweck der Fortbildung und zum besseren Verständnis zwischen den Kulturen in den Semesterferien an Hochschulkursen in den verschiedensten Bereichen teilgenommen haben. Die Kurse und der Austausch wurden dabei vom Büro für internationale Beziehungen in Person von Nadeschda Troschina und Ljubow Naumowa organisiert und vom DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) durch Stipendien unterstützt. Unsere Kontaktpersonen und Organisatoren vor Ort waren Jekaterina Wachromejewa, die die Sommerschule bereits im dritten Jahr begleitete, und Larissa Schastowa. Tatkräftig wurden sie dabei von Iwan Nisowzew unterstützt, der als ehemaliger Student und Mitarbeiter der VlGU am Lehrstuhl für Fremdsprachen nun in Jena studiert. Im Rahmen des DAAD-Programms wurden alle Studierenden gefördert, deren Studienschwerpunkt einen Bezugspunkt zur russischen Kultur oder den Studienfächern Psychologie, Pädagogik und Geschichte aufwies. Die Kosten für die Sommerschule, insgesamt 800 Euro exklusive An- und Abreise, wurden für alle Studierenden aus Fördermitteln des DAAD bezahlt. Diese umfassten dabei die Unterkunft, alle Gebühren für Seminare und Exkursionen einschließlich der Fahrtkosten sowie Frühstück, Mittag und Abendessen.
In der Moskauer Metro
Fazit: Die Weiterbildungsmöglichkeit in der Erlangener Partnerstadt bietet für Studierende die kostengünstige Möglichkeit, Russland zu erleben. Dabei ist es vor allem hilfreich, dass die Universität sich um ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch wirklich bemüht, was sich im Abholservice am Flughafen, den geleiteten Exkursionen, dem persönlichen Kontakt mit den Organisatoren, zu dem auch ein „russischer Abend“ in den eigenen vier Wänden gehört, und in der vollständigen Übernahme jedweder bürokratischer Gänge äußert. Daneben ist die Sommerschule wohl vor allem für angehende Slawisten oder zur Vertiefung respektive Abrundung von Sprachkenntnissen zu empfehlen.
Vor der Staatlichen Universität Moskau
Was man allerdings wissen sollte, ist, dass man bei diesem Projekt auch auf Hindernisse stoßen kann. So ist der Kulturschock bei einem erstmaligen Russlandaufenthalt doch durchaus als groß zu bezeichnen, das Leben im Studentenwohnheim ebenfalls gewöhnungsbedürftig, manche Veranstaltungen, die im Plan vorhanden sind, können sich kurzfristig ändern, wobei natürlich immer auf die Wünsche und Bedürfnisse der Studierenden Rücksicht genommen wurde. Auch kommt man durch das straff organisierte Programm wenig mit den russischen Kommilitonen in Kontakt, was zusätzlich dadurch erschwert wird, dass zum Zeitpunkt der Sommerschule in Russland auch Semesterferien sind.
Abschiedsidylle an der Kljasma
Alles in allem jedoch war die dreiwöchige Sommerschule 2013 ein Erlebnis, bei dem wir viele wertvolle Erfahrungen machen konnten. Durch die Förderung des DAAD stellt das Projekt eine kostengünstige Weiterbildung in einem anderen Land dar, das von Seiten unserer Studierenden noch viel zu selten genutzt wird. Für mich war es natürlich noch mehr als eine Sommerschule an der VlGU – drei Wochen in Wladimir bedeuteten gleichzeitig ein Wiedersehen mit meiner alten Studienstadt, mit Bekannten und Freunden.
Philipp Schütze
erlangenwladimir.wordpress.com
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